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Die City-Studie Jena

In dieser Project-Insights-Folge von SpacEconomics zur City-Studie Jena 2019 sprechen Anika Zorn, Matthias Hannemann und Björn Braunschweig darüber

  • wie Lehre und Forschung in der Durchführung von PassantInnen-Befragungen verbunden werden,
  • warum blaue Klemmbretter kurz vor der Europawahl die Redebereitschaft der PassantInnen nicht unbedingt erhöhen,
  • welche Ergebnisse der City-Studie sie überrascht haben,
  • warum Interneteinkäufe nicht mehr unbedingt in der Kategorie „mehr als 10 Mal (in meinem bisherigen Leben)“ abgefragt werden sollten wie wir es getan haben und
  • warum Jena für StudentInnen eine so attraktive Stadt ist. 

Die City-Studie Jena ist eine umfassende Langzeitstudie über die Entwicklung der Jenaer Innenstadt. Dazu werden in regelmäßigem Abstand zwischen 1.000 und 3.000 PassantInnen in Jena befragt. Im Fokus stehen die Wahrnehmung der PassantInnen sowie ihr Einkaufs- und Verkehrsverhalten.


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Unter Einhaltung der Abstandsregeln sprechen Anika Zorn, Matthias Hannemann und Björn Braunschweig mit entsprechendem Raumklang über die City-Studie Jena. Sie arbeiten allesamt am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie der Friedrich-Schiller-Universität Jena und im letzten Jahr maßgeblich für die Umsetzung der City-Studie Jena zuständig. Diese wird in regelmäßigem Abstand in Kooperation mit der Stadt Jena durchgeführt. Mit der Hilfe von 24 StudentInnen wurden 1.350 PassantInnen an einem Wochenende im Mai 2019 befragt.

„Für die Wahrnehmung, ob das Parkplatzangebot in Jena ausreicht, macht es jedoch scheinbar keinen Unterschied,
wie lange Personen in der Regel nach einem Parkplatz suchen müssen“
– Anika Zorn

Ein heiß diskutiertes Thema in der Jenaer Innenstadt ist die Parkplatz-Situation. Über 25 % der befragten PassantInnen kommen über den motorisierten Individualverkehr (MIV) in die Innenstadt. Entsprechend war zu erwarten, dass die Parkplätze heiß umkämpft sind: „Für die Wahrnehmung, ob das Parkplatzangebot in Jena ausreicht, macht es jedoch scheinbar keinen Unterschied, wie lange Personen in der Regel nach einem Parkplatz suchen müssen“, führt Anika Zorn aus.

Das deckt sich damit, dass sich die Bewertung der Parkplatzsituation im Vergleich zur 2016 durchgeführten Studie nicht merklich verbessert hat – obwohl 2016 der Eichplatz gesperrt war und der MIV-Anteil weiter gesunken ist. Das geplante Parkleitsystem soll in Jena demnächst bei dieser gefühlten Wahrnehmung Abhilfe schaffen.

„Daran wird aber auch deutlich, dass wir es hier mit Menschen zu tun haben. Es geht eben nicht nur um reine Zahlen, sondern um deren Wahrnehmungen“, so Matthias Hannemann. Für ihn ist vor allem auffällig, dass sich die PassantInnen in der Innenstadt mehr Grünflächen wünschen. „Wir haben zwar den wundervollen Park mit dem wunderschönen Namen ‚Paradies‘, aber durch die Lage außerhalb der Innenstadt erfüllt der andere Funktionen als Grünflächen im Innenstadtkern“.

„Daran wird aber auch deutlich, dass wir es hier mit Menschen zu tun haben.
Es geht eben nicht nur um reine Zahlen, sondern um deren Wahrnehmungen“
– Matthias Hannemann

Zu diesen gefühlten Wahrnehmungen und Wünschen kommen aber auch harte Fakten hinzu. So zeigte sich auch in dieser Befragung die erhebliche Bedeutung des Onlinehandels. „Unklar ist jedoch, ob es hier um Ergänzungsfunktionen geht, die genutzt werden, oder eine Konkurrenzsituation zum stationären Einzelhandel besteht“, erklärt Matthias Hannemann. „Das können nur weitere Untersuchungen zeigen. Da werden wir in der nächsten City-Studie – wenn wir diese als Lehrstuhl wieder begleiten sollten – näher hinschauen müssen“.

Hieran wird auch der Spagat deutlich, den eine Langzeitstudie erfordert. Während Zeitreihen fortgesetzt werden müssen, muss sich das Untersuchungsdesign stets neuen Entwicklungen anpassen können. „Wenn die Frage gestellt wird, ob ich schon mehr als fünf Mal im Internet eingekauft habe, stelle ich mir die Frage: ‚In dieser Woche?‘“, erklärt Anika Zorn lachend. Wenn 90 % einer Altersgruppe sich somit für eine Antwortoption entscheiden, ist die Aussagekraft der Auswertung erheblich gesenkt.

„Die Student/innen hatten hier die Möglichkeit, Forschung in Gänze erfahren zu können: von der Erhebung,
über das Eintragen in elendig lange Excel-Tabellen bis hin zur Auswertung mit SPSS und Interpretation
der Daten anhand einer eigens gewählten Fragestellung.“

– Björn Braunschweig

Neben notwendigen Anpassungen des Fragebogens sind PassantInnen-Befragungen auch immer mit besonderen Herausforderungen verbunden, die die StudentInnen in der Lehrforschung aus erster Hand mitnehmen konnten. Lehrforschung bietet für StudentInnen auch die Chance, in einem sicheren Rahmen mit Unterstützung eigene Erfahrungen zum wissenschaftlichen Arbeiten sammeln zu können. So erläutert Anika Zorn: „Und wenn ich dann merke, dass ich eigentlich nicht gern mit fremden Menschen auf offener Straße rede, dann weiß ich, dass ich in meiner Empirie für die Abschlussarbeit vielleicht lieber eine andere Erhebungsmethode nehme. Das darf ja auch eine Erkenntnis sein“.

Für Björn Braunschweig war vor es vor allem interessant, zu sehen wie die StudentInnen mit dem Lehrforschungsansatz umgehen: „Die StudentInnen hatten hier die Möglichkeit, Forschung in Gänze erfahren zu können: von der Erhebung, über das Eintragen in elendig lange Excel-Tabellen bis hin zur Auswertung mit SPSS und Interpretation der Daten anhand einer eigens gewählten Fragestellung. Damit lässt sich an der ein oder anderen Stelle hoffentlich auch das Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten als Jobaussicht wecken“.

Und auch das konnten die StudentInnen lernen: „Wir können uns noch so gut auf eine Befragung vorbereiten. Es gibt Dinge, die habe ich nicht in der Hand.“, führt Matthias Hannemann aus. „Am Wochenende der Befragung waren neben FridaysForFuture-Demonstrationen auch viele Stände von PolitikerInnen in der Innenstadt. Entsprechend wollten einige PassantInnen dann auch gar nicht mehr reden, weil sie schon eine halbe Stunde lang am Wahlstand diskutiert hatten.“ „Das ist auch eine Erkenntnis, die ich mitnehme: Wenn es kurz vor der Europawahl ist, stell‘ Dich nicht mit blauen Klemmbrettern in die Innenstadt. Man könnte es missverstehen“, ergänzt Anika Zorn lachend.

„Das ist auch eine Erkenntnis, die ich mitnehme: Wenn es kurz vor der Europawahl ist,
stell‘ Dich nicht mit blauen Klemmbrettern in die Innenstadt. Man könnte es missverstehen“
– Anika Zorn

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