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Die Prophetin im eigenen Hause… GeographInnen in der Kommunalberatung

In dieser Folge von SpacEconomics diskutiert Björn Braunschweig mit Luisa Linek-Schmidt, Vorsitzende des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie (DVAG), über die doch sehr abwechslungsreiche Arbeit in der Kommunalberatung und den DVAG an sich. Dabei geht es unter anderem darum…

  • warum Themenvielfalt in der Arbeit Fluch und Segen zugleich ist,
  • was Stadt- und Regionalentwicklung in der Praxis ausmacht,
  • wie die Zusammenarbeit mit AkteurInnen aus Politik und Verwaltung funktioniert,
  • wie gut ein Geographie-Studium auf die Arbeit als BeraterIn vorbereitet,
  • was der Deutsche Verband für Angewandte Geographie eigentlich so alles macht und
  • warum sich eine Mitgliedschaft auch als StudentIn lohnen kann.

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Luisa Linek-Schmidt ist Vorsitzende des Deutschen Verbandes für Angewandte Geographie und außerdem nach verschiedenen Stationen im Immobilienbereich mittlerweile in der Stadt- und Regionalentwicklung als Kommunalberaterin aktiv.

„Gerade in der Kommunalberatung gibt es immer wieder unterschiedliche Strukturen und das, was in der einen Stadt funktioniert hat, muss nicht genauso auch in der anderen Stadt funktionieren. Das kann anstrengend sein, ist aber auch ein ganz besonderer Reiz.“

Luisa Linek-Schmidt

Und so ist das Berufsfeld der Kommunalberatung auch rein thematisch sehr, sehr breit gefächert. Eigentlich logisch, denn in den beratenen Kommunen sind jeweils unterschiedlichste Themen dringend und wichtig; von Gewerbeflächenentwicklung und Einzelhandelskonzepten, über Verkehrsplanung bis hin zu Wohnungsbau. Die tatsächliche Arbeit besteht dann unter anderem aus der Entwicklung von Management-Konzepten für Industrieflächen oder der Umsetzung von Maßnahmen der Innenstadtentwicklung. Solche Konzepte und Maßnahmen können aber auf ganz unterschiedliche Maßstabsebenen ausgelegt sein. Während manche nur auf einen einzelnen Stadtteil bezogen sind, sollen andere eine regionale Wirkung entfalten.

Ein wichtiger Bestandteil dieser Arbeit sind Dialog- und Beteiligungsprozesse, die vonseiten des Beratungsunternehmens durchgeführt und moderiert werden. Hier werden beispielsweise die Bedürfnisse und Meinungen von BürgerInnen in öffentlichen Formaten oder auch Einschätzungen von FachexpertInnen aufgenommen und für politische EntscheidungsträgerInnen greifbar. Das vielfältige Anforderungsprofil an KommunalberaterInnen spiegelt sich dabei nicht zuletzt in der Zusammensetzung der MitarbeiterInnen in den Unternehmen wider. Fast schon zwangsläufig entstehen interdisziplinäre Teams aus GeographInnen, StadtplanerInnen, ArchitektInnen, SozialwissenschaftlerInnen und teilweise sogar KunsthistorikerInnen. Letztere sind beispielsweise wichtig, wenn sich ein Projekt mit historischen Ortskernen beschäftigt wird.

„Wir sagen oft mit einem Schmunzeln: Wir arbeiten für den öffentlichen Dienst, aber nicht wie der öffentliche Dienst. Nichtsdestotrotz wird unsere Arbeitsweise von dessen Rhythmus hier und da mitbestimmt.“

Luisa Linek-Schmidt

Denn auch als externer Akteur handelt die Beratungsunternehmen natürlich nicht unabhängig. Stattdessen bestehen enge Verflechtungen in die ausführenden Verwaltungen auf der einen und zu den auftraggebenden politischen EntscheidungsträgerInnen auf der anderen Seite. So werden die angesprochenen Konzepte und Maßnahmen gemeinsam mit der Verwaltung erarbeitet und umgesetzt. Hier spielen also auch Rhythmus und Arbeitsweise der öffentlichen Verwaltung eine große Rolle für die eigene Arbeit. In der Zusammenarbeit mit der Politik werden dann ganz andere Aspekte wichtig. Hier kann die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte in einer Stadtratssitzung schon mal über die Bewilligung eines Konzepts entscheiden. Gerade wenn die zur Verfügung stehenden Finanzmittel eher knapp sind und in der jeweiligen Sitzung zuvor ein anderes teures Unterfangen beschlossen wurde. Ausgearbeitete Konzepte können daher auch nicht immer direkt umgesetzt werden, weil oft nicht das Geld für alle Vorschläge da ist.

Der Kontakt und Austausch mit der auftraggebenden Kommune ist somit während des gesamten Projektverlaufs – und teilweise auch darüber hinaus – sehr eng. Hierfür können nicht zuletzt auch die verhältnismäßig langen Laufzeiten mitverantwortlich gemacht werden, wodurch die Beziehungen anders als in anderen Beratungsbereichen vielleicht nochmal intensiver sind. Letztlich kann aber nur so sichergestellt werden, dass den individuellen Ansprüchen nachgekommen und ganz standortspezifische Entscheidungen getroffen werden können.

„Grundsätzlich hilft mir die Bandbreite meines Geographie-Studiums jetzt auch. Wenn ich mich mit einer Kommune auseinandersetze und es um Hitzeinseln oder Klimaanpassungen geht, dann denk ich, war vielleicht nicht schlecht, sich schon mal mit physischer Geographie beschäftigt zu haben.“

Luisa Linek-Schmidt

Gerade in Berufen wie der Kommunalberatung, die über eine hohe Themenvielfalt verfügen, erweist sich das breite Grundstudium in der Geographie als ziemlich praktisch. Auf der einen Seite hat man inhaltlich schon ganz viel Bereiche behandelt, die im Berufsleben wieder wichtig werden. Auf der anderen Seite ist man es eben auch gewohnt, sich immer wieder in neue Thematiken einzuarbeiten. Da das wiederum oft unter gewissen Zeitdruck passiert, lohnen sich vor allem auch Fähigkeiten im Projekt- und Zeitmanagement.

Neben klassisch geographischen Studieninhalten wie Machbarkeitsstudien oder Standortanalysen spielen andere Inhalte während der Ausbildungszeit aber eher untergeordnete Rollen. Dazu gehören beispielsweise eben Partizipationsverfahren und Dialogformate. Obwohl die in der Praxis teils einen ziemlich wichtigen Bestandteil darstellen, kann sich in solchen Feldern oft nur ein Überblick verschafft werden. Ähnliches gilt dabei für verschiedene Methodenkenntnisse. Dennoch bedarf es in diesen Bereichen auch einfach viel Übung und Erfahrung, die man unter den spezifischen Anforderungsprofilen auch im Beruf noch machen kann. Eine weitere Möglichkeit, sich als StudentIn den späteren Berufseinstieg zu erleichtern, wäre aber auch ein zeitiger Beitritt in einen Berufsverband – wie den Deutschen Verband für Angewandte Geographie (DVAG). Doch was macht dieser Berufsverband eigentlich?

„Um unsere Satzung zu zitieren: der Zweck des Vereins ist die Förderung von Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet der angewandten Geographie. Und entsprechend vielfältig sind auch unsere Aufgaben und Aktionen, die wir aus dem Verband heraus begleiten.“

Luisa Linek-Schmidt

Über das Bundesgebiet verteilt zählt der DVAG mittlerweile etwa 1.200 Mitglieder. Gemeinsam ist ihnen der Bezug zur Geographie. Unterschiede ergeben sich vor allem aber in den vielfältigen Berufen, in denen die Mitglieder arbeiten. Neben wissenschaftlichen MitarbeiterInnen oder Lehrkräften sind auch Personen aus dem öffentlichen Dienst oder der Privatwirtschaft vertreten – und mittlerweile auch eine Vielzahl von StudentInnen. Alle profitieren dabei von dem großen Netzwerk und den Austauschmöglichkeiten im Zuge der Veranstaltungen, die der DVAG anbietet.

Grundlegend ist der Verband in Arbeitskreisen einerseits und Regionalforen andererseits organisiert. Die Arbeitskreise orientieren sich an unterschiedlichen Themen, die von Umwelt über Wirtschaft, Stadtentwicklung und GIS eigentlich alles abdecken. Diese Strukturen sind dabei keineswegs festgefahren, weswegen die Mitglieder im DVAG nach Interessenlagen auch neue AKs gründen können. Die Regionalforen sind wiederum für die lokalräumlich Vernetzung vorgesehen und sind bundesweit verteilt. Zentraler Bestandteil des Verbands ist die Organisation verschiedenster Veranstaltungen, wozu neben Exkursionen und Stammtischen aber auch Fachveranstaltungen oder die Nachwuchsförderung über Online-Veranstaltungen zur Berufsorientierung gehören.

„Deswegen meine wärmste Empfehlung auch während des Studiums schon mal in einen Berufsverband einzutreten und da Kontakte zu knüpfen. Man kann eigentlich gar nicht früh genug anfangen, sein berufliches Netzwerk aufzubauen. Das lohnt sich auf jeden Fall.“

Luisa Linek-Schmidt

Nicht zu vergessen ist darüber hinaus die Verbandszeitschrift Standort. Der Standort ist jedoch weit mehr als eine Verbandszeitung. Er hat sich mittlerweile als wissenschaftliches Journal mit der Spezialisierung auf angewandte Geographie etabliert. Hier konnte Björn Braunschweig jüngst auch zusammen mit Dr. Benjamin Klement das Themenheft „Räume der Musikindustrie“ moderieren. Neben den Fachartikeln werden aber – ganz im Sinne einer Verbandszeitschrift – auch Informationen aus dem Verbandsleben geteilt. Für StudentInnen ist zudem auch der Newsletter des DVAG mit einem Stellenportal für GeographInnen und Veranstaltungshinweisen des DVAG und Nachbarverbänden interessant.


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