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Wieso sind Familienunternehmen so viel mehr als Familie + Unternehmen?

In dieser Audioversion der Jena Talks in Economic Geography (JTalks) ist Prof. Dr. Lech Suwala von der Technischen Universität Berlin zu Gast und führt uns in der Diskussion mit Björn Braunschweig in ein manchmal vernachlässigtes Thema der Wirtschaftsgeographie ein: Familienunternehmen. Dabei werden an Familienunternehmen brennglasartig eine Reihe von wirtschaftsgeographischen Konzepten leicht verständlich und greifbar. Und ganz nebenbei können wir auch für andere Unternehmen viel von Ihnen lernen. Es geht also unter anderem darum,

  • was wirklich der Unterschied von Familienunternehmen und sonstigen Unternehmen ist,
  • wie Familienunternehmen die Geschicke ganzer Regionen bestimmen können,
  • was sich hinter dem Wort Embeddedness nun wirklich verbirgt,
  • inwiefern wir von anderen Disziplinen lernen und mit ihnen arbeiten können,
  • warum ein topisches Raumverständnis für die Wirtschaftsgeographie spannend sein kann.

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Familienunternehmen sind für die Hälfte des Umsatzes aller deutschen Unternehmen verantwortlich, gleichzeitig machen sie jedoch über 90 % dieser aktiven Unternehmen aus. Bereits hieran wird deutlich, dass Familienunternehmen nicht gleich Familienunternehmen sein kann. Denn wenn sich hinter diesem Wort auch so große Namen wie Miele, Bosch, Bahlsen oder die Schwarzgruppe – also unter anderem LIDL und Kaufland – verbergen, muss es sich auch um eine Reihe kleiner Unternehmen handeln. Schon diese Bandbreite macht das Thema für Prof. Dr. Lech Suwala sehr spannend. Doch gleichzeitig geht es ihm vor allem darum, mit der Forschung an Familienunternehmen die Erkenntnisse für alle Unternehmen zu mehren.

„Wir können von Familienunternehmen auf allen Ebenen – ökonomisch, sozial, kulturell und kognitiv – in Bezug auf soziale Nähe und Distanz in ökonomischen Beziehungen, Transport- und Transaktionskosten oder auch die Entwicklung von Raumbildern unglaublich viel lernen.“ | Lech Suwala

Lech Suwala konzentriert seine Forschung seit mehreren Jahren auf Familienunternehmen und arbeitet hier seit fünf Jahren auch eng mit Rodrigo Basco Rodriguez von der Universidad Complutense de Madrid in Spanien zusammen. Die beiden ergänzen sich in ihrer Forschung zu Familienunternehmen nicht nur durch die räumliche Perspektive, die Suwala mitbringt, sondern vor allem auch in Bezug auf die Ebenen ihrer Betrachtung. Basco konzentriert sich vorwiegend auf die Makro-Ebene, also die übergeordnete volkswirtschaftliche Perspektive, die vielfach von Input-Output-Modellen und dem Arbeiten mit Produktionsfaktoren geprägt ist. Suwala stellt in seiner Forschung eher auf die regionale Ebene ab und rückt die Familienunternehmen als AkteurInnen selbst in den Fokus.

„Wenn wir uns anschauen, wie sich Familienunternehmen von sonstigen Unternehmen unterscheiden, ist es wichtig, hier einerseits den Fragen nachzugehen, wem das Unternehmen gehört und wie diese Personen haften, aber natürlich auch, wer das Unternehmen genau leitet. Ist es tatsächlich noch die Familie oder sind da ManagerInnen eingesetzt, die das übernehmen?“ | Lech Suwala

Hierbei wird deutlich, dass gerade auch die Frage danach, wem das Unternehmen gehört und wer die Geschicke des Unternehmens leitet einen erheblichen Unterschied macht. Auf der einen Seite stehen die EigentümerInnenunternehmen. Hier sind EigentümerIn und ManagerIn ein und dieselbe Person. Danach folgen die familiengeführten Unternehmen. Hier sind es mehrere Personen aus einer Familie, die die Leitung des Unternehmens zusammen verantworten. Gefolgt von den familienkontrollierten Unternehmen. Hier gehört das Unternehmen der Familie, aber die Leitung hat ein/e ManagerIn inne. Doch je weiter sich die Kontrolle aus der Hand der Familie entfernt, desto weniger entsprechen sie dem Idealbild, das für die wirtschaftsgeographische Forschung so spannend ist. Ist das Unternehmen beispielsweise eine Aktiengesellschaft – selbst wenn die Familie noch Mehrheitseignerin ist – so können auf einmal eine Reihe von Personen, die die Aktien besitzen, die Geschicke des Unternehmens mitlenken. Insofern ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich gerade an den Unternehmen, die in Familienbesitz sind und von der Familie geleitet werden, besonders gut untersuchen lässt, welchen Einfluss es hat, ob es sich um ein Familienunternehmen handelt oder nicht.

„Die Verwurzelung von einem Familienunternehmen in einer Region kann so weit gehen, dass die Region in der Wahrnehmung untrennbar mit der Region verbunden ist. Zum Beispiel ist Billund unweigerlich mit LEGO verbunden; und damit auch mit dem Logo. Wir können also von Familienunternehmen auch viel über Markenbildung lernen. | Lech Suwala

Dabei zeigt sich, dass Familienunternehmen von einer starken Verwurzelung in einer Region geprägt sind. Häufig handelt es sich bei Großunternehmen in stark ländlich geprägten Regionen um Familienunternehmen, die zwar expandiert, aber ihrer Region treu geblieben sind. Diese Verwurzelung kann bis dahin gehen, dass ein Unternehmen stellvertretend für eine Region steht. Sage ich „Billund“, sagt ihr? Richtig, LEGO. Gleichzeitig haben vor allem große Familienunternehmen aufgrund ihrer langen Tradition über mehrere Generationen häufig sehr viel Erfahrung im Umgang mit der Suche nach geeigneten und neuen Standorten. Damit sind sie prädestiniert, um von ihnen – auch außerhalb des Familienkontextes – zu lernen. Das sind jedoch nur Ausschnitte aus den Ergebnissen der Arbeit von Lech Suwala. Hört in die Folge rein, um noch viel mehr zu erfahren. Zum Beispiel auch, welche spannende Perspektive sich hinter dem Wort „topischer Raum“ verbirgt…

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Lehrstuhl-Media

  • Basco, R. und SUWALA, L. (2021): Spatial Familiness and Family Spatialities – Searching for fertile ground between family business and regional studies. In: Basco, R., Stough, R. and SUWALA, L. (eds.): Family Business and Regional Development. Routledge. London, 7-32. https://doi.org/10.4324/9780429058097-3 
  • Basco, R. und SUWALA, L. (2020). Spatial Familiness – A bridge between family business and economic geography. In: Calabr , A. (Hrsg.): A research agenda for family business. A way ahead for the field. Cheltenham Northampton (MA): Edward Elgar, 185-212. http://hdl.handle.net/10419/233985 
  • Basco, R., SUWALA, L. und Stough, R. (Hrsg.) (2021): Family Business and Regional Development. Routledge. London. https://doi.org/10.4324/9780429058097
  • SUWALA, L. (2021): Space Concepts, Re-figuration of Spaces and Comparative Research – Perspectives from Economic Geography and Regional Economics. Forum Qualitative Sozialforschung (FQS) 22(3), 1-48. https://doi.org/10.17169/fqs-22.3.3789
  • Albers, H.-H. und SUWALA, L. (2021): Family firms and corporate spatial responsibilities in Germany – implication on urban and regional planning and management. In: Basco, R., Stough, R. and SUWALA, L. (Hrsg.): Family Business and Regional Development. Routledge. London, 237-255. https://doi.org/10.4324/9780429058097-18

Ein Gedanke zu „Wieso sind Familienunternehmen so viel mehr als Familie + Unternehmen?“

  1. Pingback: Verändern neue Arbeitsweisen „die“ Wirtschaft? – Die Blogs der Universität Jena

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