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Was soll denn bitte „der Osten“ Europas sein?

In dieser Folge von SpacEconomics diskutiert Björn Braunschweig mit Lena Dallywater vom Leibniz-Institut für Länderkunde über ihre Arbeit am EEGA, dem Leibniz-WissenschaftsCampus „Eastern Europe – Global Area“. Sie sprechen darüber…

  • welche Herausforderungen und Chancen in interdisziplinärem Arbeiten stecken,
  • welche Rolle Deutungshoheiten und „das Andere“ auf der Suche nach Identität spielen,
  • wie die Betrachtung von individuellen Verflechtungen den Blick auf ganze Regionen verändern kann,
  • wie wichtig der Zufall für individuelle Werdegänge im wissenschaftlichen Arbeiten ist und
  • wie man mit einem Forschungsnetzwerk wie dem EEGA in Kontakt kommen kann.

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The Longer Read

Ein WissenschaftsCampus ist die Verbindung von universitärer und außeruniversitärer Forschung. Die Leibnizgemeinschaft hat verschiedene dieser Campi ins Leben gerufen. Der WissenschaftsCampus „Eastern Europe – Global Area“ (EEGA) ist mit neun Partnerinstitutionen eine besonders große Zusammenführung von Forschenden verschiedenster Disziplinen, die sich mit dem östlichen Europa beschäftigen.

„Als Koordinatorin arbeite ich direkt mit den Menschen. Ich organisiere Veranstaltungen und mache Öffentlichkeitsarbeit, um möglichst viele Forschende dazu zu motivieren, sich neben ihrer Lehre, ihrer Forschung und ihren privaten Verpflichtungen noch im WissenschaftsCampus auszutauschen“
– Lena Dallywater

Zentral ist beim EEGA der Ansatz, dass Regionen, Nationen und Individuen global mit anderen Regionen, Nationen und Individuen verflochten sind. Ein weiteres Wesensmerkmal des WissenschaftsCampus ist das akteurszentrierte Denken. Dabei wird davon ausgegangen, dass einzelne Personen bestimmte Ziele voranbringen wollen und damit das östliche Europa prägen und verändern. Durch diese Perspektive soll das östliche Europa anhand seiner globalen Beziehungen und Positionierungen verstanden werden – auf der Ebene von Gesellschaft und Politik, aber auch von Individuen.

Da die verschiedenen beteiligten Institutionen und Forschenden ein breites Interessensspektrum mitbringen, gibt es am EEGA keine konkreten Schlagwortthemen. Was die einzelnen Projekte verbindet, ist der Versuch, wechselseitige Bezüge zwischen dem östlichen Europa und anderen Weltregionen bzw. zwischen Menschen im östlichen Europa und Menschen in anderen Regionen herzustellen.

„Es ist schwierig, „das östliche Europa“ zu definieren. Darum geht es beim EEGA aber auch nicht. Es geht vielmehr darum, die Vielfalt und Multiplizität verschiedener Zugänge zu dieser Region wahrzunehmen, Hintergründe und Ziele dieser Perspektiven zu verstehen und Verflechtungen untereinander und mit anderen Weltregionen aufzuspüren.“
– Lena Dallywater

In ihrer eigenen Forschung beschäftig sich Lena Dallywater mit der „afrikanischen Ästhetik“. Hierfür befasst sie sich mit verschiedenen afrikanischen Intellektuellen, die auf dem afrikanischen Kontinent oder in der alten bzw. neuen Diaspora an Hochschuleinrichtungen tätig sind oder waren und sich mit dem Thema der „afrikanischen Ästhetik“ auseinandersetzen bzw. gesetzt haben.

Die Frage, ob es eine solche „afrikanische Ästhetik“ gibt und wie diese aussieht, ist auch immer eine Frage von Identität und Identitätssuche. Gerade in gesellschaftlichen Phasen, in denen sich Minoritäten von der Majorität abzugrenzen versuchen, kann eine eigene Ästhetik identitätsstiftend sein. Lena Dallywater begegnete aber auch die Position, es könne keine „afrikanische Identität“ geben.  Denn wenn man von einer Menschheit ausginge, seien Partikularismen nicht möglich. Das Ziel von Identitätssuche solle es nicht sein, das eine gegen das andere zu definieren. Beide Positionen, die VertreterInnen einer „afrikanischen Ästhetik“ sowie diejenigen, die sie ablehnen, verfolgen unterschiedliche Ziele und Zwecke für die Zuhörerschaft. Es ist daher für Lena Dallywater besonders interessant, wie die jeweiligen Konzepte entstanden sind, welchen individuellen und gesellschaftlichen Kontexten sie entstammen und weshalb sie von den VerfasserInnen als wichtig empfunden wurden.

„Eine wichtige Erkenntnis aus meiner Forschung und meiner Arbeit als Koordinatorin des EEGA ist: Es sind nicht Ideen, die sich auf magische Weise entwickeln und vervielfältigen. Es sind nicht menschenleere Räume oder abstrakte Nationen, die etwas tun. Und auch eine Konferenz bringt nichts hervor – es sind immer die Menschen.“
Lena Dallywater

Ein sich Zusammenschließen, sich gegenseitig Empowern und gemeinsam gegen die Dominanz des weißen Westens zu kämpfen – das ist für Minoritäten von großer Bedeutung. Wie aber kommt man dann dann von verschiedenen einzelnen Einheiten zu einer Einheit? Mit dem entstehenden Spannungsfeld Einheit bei Unterschiedlichkeit setzt sich Lena Dallywater in ihrer Promotion intensiv auseinander. Dabei fällt auf, dass sich afrikanische Intellektuelle mit ganz ähnlichen Fragestellungen und Problemen wie Intellektuelle im östlichen Europa beschäftigen: Es geht immer wieder darum, wie man sich selbst positioniert, wenn man sich in einer gefühlt oder real schwächeren Position befindet.
Das ist automatisch der Fall, wenn man nicht dem Euro-Amerikanische-Kanon entspricht und betrifft daher Menschen afrikanischer Herkunft und Menschen aus dem östlichen Europa gleichermaßen.

Zusammenfassung der Folge als Long Read von Clara Aevermann

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