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Kommunale Klimaanpassung – Praxis und Theorie

In dieser Project-Insights-Folge von SpacEconomics spricht Björn Braunschweig mit seinen mit seinen Kolleginnen Anika Zorn und Susann Schäfer sowie Dennis Fila von der Professur für Geographie des Globalen Wandels der Universität Freiburg über Klimaanpassung und das Netzwerk TheoAdapt sowie darüber,

  • wie Klimaanpassung und Klimaschutz sich unterscheiden und auch ergänzen,
  • welche Rolle Kommunen für die Klimaanpassung spielen,
  • warum es mehr Theorie in der Klimaanpassungsforschung braucht,
  • warum COVID19 ggf. nicht nur kurzfristige Auswirkungen auf Klimaanpassungsbestrebungen hat,
  • welche klimatischen Herausforderungen bestimmte Regionen erwarten,
  • warum Klimaanpassung nicht im Alleingang funktioniert und
  • warum die finanzielle Ausstattung der Kommunen eine so große Rolle spielt.

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Als am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie das vom BMBF geförderte Projekt KlimaKonform im Mai 2020 startete, war das Projekt LoKlim der Professur für Geographie des Globalen Wandels wenige Monate zuvor angelaufen. Beide Projekte beschäftigen sich mit Klimaanpassung in kleinen und mittleren Kommunen, unterscheiden sich jedoch in ihren räumlichen und thematischen Ausrichtungen. Während LoKlim mit sechs Pilotkommunen und -landkreisen in Baden-Württemberg an Strategien zum Umgang mit dem Klimawandel arbeitet, fokussiert Klimakonform die Erarbeitung einer Wissensplattform für Gemeinden und Landkreise in Mittelgebirgsregionen in den Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Gemeinsam haben Anika Zorn und Dennis Fila das Netzwerk TheoAdapt – Theorizing Climate Adaptation (zurück) ins Leben gerufen. Dieses soll dazu dienen, WissenschaftlerInnen eine Austauschplattform zu bieten, um gemeinsam die theoretischen Grundlagen für die Klimaanpassungsforschung weiter auszubauen. Allen drei GesprächspartnerInnen ist wiederum gemein, dass sie genaustens zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung unterscheiden.

„Klimaschutz und Klimaanpassung meinen ähnliches, haben aber sehr unterschiedliche Ziele. Während Klimaschutz versucht, vor allem schädliche Treibhausgasemissionen zu reduzieren, versucht Klimaanpassung bereits entstandene Folgen des Klimawandels zu berücksichtigen und kommende zu antizipieren, um Maßnahmen zum Umgang mit diesen Folgen zu finden.“ Dennis Fila

„Klimaschutz und Klimaanpassung klingen erst einmal sehr ähnlich, meinen aber doch Unterschiedliches. Klimaschutz konzentriert sich vor allem darauf, durch die Vermeidung von Treibhausgasemissionen den fortschreitenden Klimawandel einzudämmen. Klimaanpassung hat aufgrund der bereits feststellbaren Folgen erheblich an Relevanz gewonnen. Denn Klimaanpassung versucht, Wege zu finden, um mit diesen Folgen des Klimawandels umzugehen.“, erklärt Dennis Fila. Dabei zeichnet sich auch ab, dass Klimaschutz eine verstärkt technologische Komponente und Klimaanpassung eine verstärkt soziale besitzt. „Wenngleich wir mit Pauschalisierungen vorsichtig sein müssen, steht bei Klimaanpassungsmaßnahmen der Mensch noch einmal deutlich stärker im Fokus, während Klimaschutz in vielen Fällen über technologische Maßnahmen erreicht werden soll. Klimaanpassung beschäftigt sich somit damit, wie sich Menschen individuell und kollektiv mit den neuen klimatischen Gegebenheiten am besten arrangieren können.“, ergänzt Susann Schäfer.

„Wir sind als Projekte sehr unterschiedlich ausgerichtet. Da wir in KlimaKonform über drei Bundesländer hinweg arbeiten, versuchen wir, den Kommunen eine Wissensplattform aufzubauen, die ihnen neben Klimaszenarien der Region auch wie in einer Art Baukasten Hilfestellungen zu geeigneten Klimaanpassungsmaßnahmen bietet. Dabei können wir in den Projekten viel voneinander lernen, da LoKlim eher aus einem Bottom-Up-Ansatz kommt.“ Anika Zorn

„Wir bauen derzeit unter anderem mit der TU Dresden, dem Umweltforschungszentrum und den zuständigen Landesämtern aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen eine Wissensplattform für die Kommunen auf.“, erklärt Anika Zorn. „Diese Wissensplattform soll den Kommunen allerdings nicht nur Szenarien und relevante Indikatoren, sondern vor allem auch geeignete Klimaanpassungsmaßnahmen an die Hand geben.“ – „Um das entsprechend zu erreichen, fangen wir auf der Ebene der NutzerInnen an. Wir fragen erst einmal die Bedarfe der Kommunen ab, um einerseits einzufangen, wie viel Detailtiefe überhaupt praktikabel ist und andererseits aber auch, um die Expertise vor Ort mitzunehmen.“, ergänzt Susann Schäfer. Damit unterscheidet sich das Projekt in der Herangehensweise entscheidend von LoKlim. „Wir wiederum arbeiten mit sechs sogenannten Pilotkommunen und -landkreisen zusammen, um mit diesen gemeinsam Strategien für Klimaanpassung zu finden. Verstärkt in den Fokus rücken dabei die Kommunen mit fünf bis zwanzig Tausend EinwohnerInnen, weswegen die Landkreise auch so wichtige PartnerInnen sind. Während bei uns zwar auch eine Wissensplattform mit Indikatoren erarbeitet wird, liegt der Fokus deutlich stärker auf der gemeinsamen Strategieerarbeitung.“, erläutert Dennis Fila. Damit ergänzen sich beide Projekte sehr gut und können auf den verschiedenen Handlungsebenen voneinander lernen. „Gemeinsam haben wir aber definitiv, dass wir die AkteurInnen mit ihrer örtlichen Expertise einbeziehen. Denn Klimaanpassung funktioniert nicht im Alleingang. Dafür braucht es auf kommunaler Ebene die politischen EntscheidungsträgerInnen genauso wie Wirtschaftsvertretungen und die Zivilgesellschaft.“, fährt er fort.

„Die Klimafolgen sind gar nicht so unterschiedlich in den Kommunen, was aber anders ist, ist die Struktur der Kommunen und die Anpassungskapazitäten. Das muss gar nicht zwischen den beiden Projektregionen sein, sondern auch innerhalb: Das betrifft die Wahrnehmung der Gewichtung von Klimawandel, aber auch die Wissensstände.“ – Susann Schäfer

Eine immense Herausforderung ist dabei die Vermittlung des zeitlichen Horizonts. „Bei vielen Klimaanpassungsmaßnahmen lassen sich die positiven Effekte schlicht nicht quantifizieren.“, erklärt Susann Schäfer. „Ich kann nicht festlegen, um wie viel Prozent die Lebensqualität verbessert wurde oder wie viele Menschenleben tatsächlich durch die Maßnahmen gerettet wurden. Auch zeigt sich der Effekt meist erst nach Jahren oder Jahrzehnten, was es für politische EntscheidungsträgerInnen extrem schwierig macht, diese Maßnahmen vor den WählerInnen zu begründen. Da hoffen wir, mit unserem Projekt einen Beitrag leisten zu können. Denn auch, wenn die eigentlichen Zielgruppen die KommunalpolitikerInnen und Stadtverwaltungen sind, hilft die Plattform hoffentlich dabei, die Sensibilität in der Bevölkerung zu erhöhen.“, erläutert sie weiter. „Die Kommunen unterscheiden sich teils erheblich, was ihre finanzielle Ausstattung angeht. Da haben wir in Baden-Württemberg aber meistens noch Glück. Doch da es sich bei Klimaanpassung um eine freiwillige Aufgabe der Kommune handelt und viele Kommunen unter der Austeritätspolitik der vergangenen Jahre leiden, zeigen sich auch dort Unterschiede in der Gewichtung dieser Maßnahmen gegenüber anderen Aspekten kommunalen Handelns.“, ergänzt Dennis Fila. „Damit sich diese Prioritäten aber überhaupt erst verschieben können, braucht es oftmals auch einfach das Wissen darüber, was für Folgen der Klimawandel für die jeweilige Region hat. Und da kommen dann unsere Projekte ins Spiel“, fügt Anika Zorn hinzu.

„Viele Partner im Projekt fürchten, dass die COVID19-Pandemie zu derartigen Mehrausgaben in den Kommunen führen, dass Klimaanpassungsmaßnahmen als freiwillige Leistung der Kommunen langfristig ausgesetzt oder begrenzt werden.“ – Dennis Fila

Wie in jedem Wissenschaftsprojekt kommt es auch in KlimaKonform und LoKlim zu Einschränkungen durch die COVID19-Pandemie. Dabei hoffen alle Beteiligten, dass die Prioritäten sich nur kurzfristig verschieben und Klimaschutz und -anpassung nicht dauerhaft beeinträchtigt werden: „Viele Partner im Projekt fürchten, dass die COVID19-Pandemie zu derartigen Mehrausgaben in den Kommunen führen, dass Klimaanpassungsmaßnahmen als freiwillige Leistung der Kommunen langfristig ausgesetzt oder begrenzt werden. Das können wir momentan aber noch nicht absehen und hoffen, dass die Bundesregierung auch an der Stelle – zum Beispiel über die Erweiterung von Fördertöpfen – gegensteuern kann.“, erklärt Dennis Fila. Auch unabhängig von COVID gibt es in der Zusammenarbeit mit den Kommunen Herausforderungen zu meistern. „Die Kommunen in unserer Region sind schlicht oft nicht ausreichend für Klimaanpassung ausgestattet. Hinzukommt, dass die Kommunen nicht zwingend im sogenannten „Förderdschungel“ zurechtkommen und an bürokratischen Hürden oder dem Eigenanteil für Projekte scheitern. Nichtsdestoweniger stoßen wir im Projekt auf viele Kommunen, die das Thema als sehr wichtig erachten und sich trotz aller Widrigkeiten in dem Bereich engagieren – und sei es in anderen Zusammenhängen“, ergänzt Anika Zorn. Gleichzeitig scheint jedoch unterschiedliche Betroffenheiten die Dringlichkeit erheblich zu beeinflussen. „Da hoffen wir natürlich, dass die Wissensplattform hilft, die Sensibilisierung für die Gesamtregion voranzutreiben, damit wir ein bisschen davon wegkommen, dass sich vorwiegend die stärker betroffenen Kommunen engagieren.“, führt Susann Schäfer weiter aus.

„Wir haben uns jetzt zum ersten Mal als Netzwerk TheoAdapt mit dreißig anderen WissenschaftlerInnen getroffen. Und unser festgestellter Bedarf, zu dem Thema zu theoretisieren, wurde in jedem Fall von den Anwesenden bestätigt. – Anika Zorn

Um von den stark anwendungsbezogenen Projekten auch in der Wissenschaft weiter profitieren zu können und den Erkenntnisgewinn zu steigern, ist das Netzwerk der ideale Ort für den Austausch. „Der Austausch ist an der Stelle kein Selbstzweck oder Austausch nur um der Theorie Willen, sondern mit besseren Konzepten und besserer theoretischer Fundierung wächst auch die Möglichkeit, Klimaanpassungen besser umzusetzen.“, erklärt Dennis Fila. „Dabei bietet sich so natürlich auch für NachwuchswissenschaftlerInnen in dem Bereich die Möglichkeit, gemeinsam mit erfahreneren KollegInnen zu publizieren oder später vielleicht sogar zusammen Projektanträge zu verfassen.“ – „Wir haben uns jetzt zum ersten Mal als Netzwerk TheoAdapt mit dreißig anderen WissenschaftlerInnen getroffen. Und unser festgestellter Bedarf, zu dem Thema zu theoretisieren, wurde in jedem Fall von den Anwesenden bestätigt.“, ergänzt Anika Zorn. „Dabei reichen die im Netzwerk vertretenen Ansätze von der politischen Ökologie, Governance und der Betrachtung von Machtasymmetrien bis hin zu wirtschaftsgeographischen Konzepten zu Wissensflüssen.“

„Ich denke, dafür wie Kommunen sich am besten an den Klimawandel anpassen können, kann man kein allgemeines Rezept machen, weil das zu sehr von der lokalen Betroffenheit abhängt. Aber was sehr wichtig für alle ist, ist den Blick dafür zu schärfen, dass es klimatische Veränderungen gibt und diesen mit dem notwendigen Wissen begegnet werden kann.“ – Anika Zorn

Auf die komplexe Frage, wie Kommunen sich an den Klimwandel am besten anpassen können, gibt es keine einfache Antwort. Dennoch gibt es Schlüsselaspekte, die Kommunen einen entscheidenden Schritt voranbringen können. „Aus meiner Sicht sind unter anderem drei Aspekte sehr entscheidend. Es ist erst einmal wichtig, zu verstehen, dass Klimaanpassung ein Querschnittsthema ist, dass in fast allen Bereichen der Stadtverwaltung mitgedacht werden sollte. Um die Maßnahmen anzugehen und umzusetzen sollte ich als Kommune dann eine breite Beteiligung verschiedener AkteurInnen – von der Wirtschaft bis hin zu den BürgerInnen ins Boot holen, um auch die einzelnen Bedarfe berücksichtigen zu können. Und letztlich braucht es Fördermittel. Da können sich die Kommunen auch im Abruf der Mittel verbessern, aber zukünftig sollte da auch noch mehr bereitgestellt werden.“, erklärt Dennis Fila. „Ich denke, dafür wie Kommunen sich am besten an den Klimawandel anpassen können, kann man kein allgemeines Rezept machen, weil das zu sehr von der lokalen Betroffenheit abhängt. Aber was sehr wichtig für alle ist, ist den Blick dafür zu schärfen, dass es klimatische Veränderungen gibt und diesen mit dem notwendigen Wissen begegnet werden kann.“, ergänzt Anika Zorn. „Das heißt auch, zu erkennen, dass es nicht ausreicht, auf die stärker und häufiger werdenden Extremwetterereignisse zu reagieren, sondern sich darauf vorzubereiten. Und das geht auch, indem Kommunen Klimaanpassungsmaßnahmen in ihre alltägliche Praxis aufnehmen. Das fängt schon bei genügend Sonnenschutz bei der KiTa-Planung an und hört auch bei dürreresistenten Pflanzen im Stadtgrün nicht auf.“

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