Zum Inhalt springen

„The Podcast Before Christmas“ – Geographische Perspektiven auf Filme und Serien

In dieser nicht immer ganz ernst gemeinten Folge von SpacEconomics zum Jahresabschluss widmet sich  Björn Braunschweig seiner scheinbar ganz ungeographischen Leidenschaft:  Filmen und Serien. Dabei zeigt er, dass in manchen Filmen und Serien sogar ganz schön viel Geographie steckt und sie uns helfen können, geographische Konzepte und Theorien besser nachzuvollziehen. Außerdem spricht er darüber

  • wie Stereotypen unsere Bilder von Regionen prägen,
  • was passiert, wenn Tatort-Kommissare auf dem Augustusplatz in Leipzig parken,
  • welche Potenziale hydroponische Systeme für die urbane Lebensmittelversorgung haben,
  • warum Geographie eben keine Länderkunde ist,
  • was um alles in der Welt der Porter’sche Diamant mit dem Mars zu tun hat,
  • wie soziale Ungleichheit gemessen werden kann,
  • warum eine „Schneeball Erde“ mit -117 °C Außentemperatur nicht zwingend erstrebenswert ist und
  • wie das Verhältnis zwischen Zentrum und Peripherie die Gesellschaft beeinflussen kann.

Schreibt uns für Fragen, Kommentare und Anregungen gern an:

Instagram Twitter Homepage


The Longer Read

In Filmen werden bestimme geographische Eindrücke genutzt, um Regionen mit allen etablierten Vorstellungen und Vorurteilen darzustellen. Zum Beispiel weckt ein Bild der Pyramiden direkt die Assoziation zu Ägypten – egal wo dann wirklich gedreht wird. Das sorgt einerseits dafür, dass die ZuschauerInnen sich schnell im Geschehen orientieren können. Andererseits können – gewollt und ungewollt – Klischees oder Rassismen reproduziert werden. Es ist also eine gewisse Sensibilität seitens der ProduzentInnen gefragt – nichtzuletzt weil falsche oder unangemessene Darstellungen die Glaubhaftigkeit des gesamten Films in Frage stellen können.

Neben diesen eher subtilen Verbindungen zur Geographie finden sich aber auch konkrete Theorien und aktuelle Themen der geographischen Forschung in Filmen und Serien wieder. Ein sehr gutes Beispiel ist die Serie SnowPiercer. In dieser dystopischen Serie konnte die globale und unbarmherzige Klimaerwärmung nicht aufgehalten werden. Als Reaktion auf den Klimawandel setzten die Menschen auf Geoengineering, um ihre Lebensweise nicht ändern zu müssen.

„Geoengineering sind bereits implementierte oder entworfene Methoden, um in die geochemischen oder biogeochemischen Prozesse und Kreisläufe dieser Erde einzugreifen und die menschengemachte Erderwärmung zu reduzieren. Dabei wird entweder versucht,  das Eintreffen der Sonnenstrahlen auf die Erde zu minimieren oder die Gaskonzentrationen von Treibhausgasen beispielsweise durch Speicherung zu senken.“

Bei SnowPiercer war die Wirkung des Geoengineerings etwas stärker als geplant, die Jahresdurchschnittstemperatur auf der Erde beträgt nun -117 Grad. Tatsächlich ist Geoengeneering eine aufgrund ihrer Unkalkulierbarkeit umstrittene aber durchaus auch von manchen Seiten befürwortete Weise, in der realen Welt auf den Klimawandel zu reagieren. Björn Braunschweig bespricht jedoch nicht nur abwägigere, sondern auch aktuelle Lösungsansätze und Herausforderungen: Wie versorgt man Menschen in einer (selbstverschuldet) lebensfeindlichen Umgebung? In SnowPiercer wird etwa die Lebensmittelversorgung durch sogenannte Hydroponics sichergestellt: Im Kern handelt es sich dabei um ein Aquarium, in dem Nutzpflanzen angebaut werden. Diese Pflanzen filtern die im Wasser enthalten Stickstoffe heraus. Dadurch werden sie mit Nährstoffen versorgt und säubern gleichzeitig das Wasser. So werden gleichzeitig Fische und Pflanzen produziert und der einzige notwendige Input ist das Futter für die Fische. Mit hydroponischen Systemen wird vor allem in urbanen Gebieten experimentiert, da der Reduktion von Transportkosten und Wassereinsatz zukünftig eine erweiterte Bedeutung zukommt.

 „Hydroponische Systeme könnten in Zukunft immer interessanter werden, wenn weiterhin immer mehr Menschen in Städten leben und Transportkosten – sowohl ökologische als auch ökonomische – weiter sinken müssen und Wassersparen immer mehr ein Thema wird. Immerhin wird dabei rund 80‑90 % Wasser gegenüber herkömmlicher Pflanzenzucht gespart.“

Auch in der Serie The Expanse  finden sich einige geographische Themen wieder. In The Expanse wird die derzeitige globale Entwicklung ungeschönt weitergesponnen. Im 24. Jahrhundert ist das gesamte Sonnensystem von rund
34 Milliarden Menschen bevölkert. Dreh- und Angelpunkt des Geschehens sind die Planeten Erde und Mars. Sie sind quasi Oberzentren, so wie heutzutage große Städte, die für ihr Umland eine wichtige Bedeutung haben: Zur Beschreibung der so genannten Zentralitäten wird in der Raumplanung zum Beispiel das Zentrale Orte System genutzt. Ein zentraler Ort ist demnach ein Ort mit administrativem, kulturellen, bildungstechnischem, verkehrlichem, wirtschaftlichem Bedeutungsüberschuss für das Umland. Bei The Expanse ist die Situation zwischen Erde, Mars und ihren „Umplaneten“ und „Umasteroiden“ ähnlich.Gerade durch diese räumliche Trennung zwischen den verschiedenen Planeten und Asteroiden mit jeweils klaren Funktionen für das gesamte System spitzen sich aber auch Probleme der sozialen Ungleichheit in The Expanse zu.

Um Ungleichheit zu messen, kann man den so genannten Gini-Koeffizienten verwenden. Dieser geht gen Null, wenn alle betrachteten Personen das gleiche Einkommen haben und wäre genau 1, wenn eine Person das gesamte Vermögen hat. Interplanetar würde man wohl eher in der Nähe von Eins als Null landen. Gleichzeitig – und das zeigt die Schwäche des Gini-Koeffizienten – gehen im Verhältnis kleinere Bevölkerungsgruppen in der Betrachtung unter. So leben im Asteroidengürtel – dem ärmsten Teil des Sonnensystems – rund 100 Millionen sogenannte Belter. Die Lebensbedingungen der Belter liegen somit nochmal weit unterhalb denen der BewohnerInnen von Mars und Erde. Wenn alle 34 Milliarden Menschen auf Mars und Erde nun annähernd gleiche Einkommen hätten, dürfte der Koeffizient relativ nah gen 0 gehen. Dabei wäre es irrelevant wie schlecht es den Beltern geht. Hier würde es sich also anbieten, den Theil-Index zu nutzen, da wir damit auch nochmal zwischen einzelnen Gruppen differenzieren können, um die Ungleichverteilung nicht nur innerhalb einer Gruppe (alle Menschen) zu betrachten, sondern auch zwischen Gruppen (also alle Menschen auf der Erde, alle Menschen im Gürtel, alle Menschen auf dem Mars).

„Geographie ist keine Länderkunde und Theorien sind kein Konstrukt, um StudentInnen zu quälen. Sondern wir haben uns hier gerade mithilfe geographischer Theorien und Konzepten ein komplettes – wenn auch fiktives – Sonnensystem erschlossen.“

Bereits in den beiden Beispielen SnowPiercer und The Expanse finden sich noch weitere Verknüpfungen zu geographischen Themen und Konzepten, auf die im Podcast noch näher eingegangen wird: Von Mobilität über Handelsbeziehungen und Klimaanpassungsmaßnahmen bis hin zu Ressourcenknappheit. Zugleich fällt auf, dass sich all das in fiktiven Räumen abspielt. Es wird also deutlich, dass Geographie keine Länderkunde ist. Die räumliche Perspektive hilft uns vielmehr, die Welt – oder auch fiktive Welten – zu verstehen. Zudem zeigt sich, wie vielseitig geographische Forschung – innerhalb und außerhalb der Forschungsschwerpunkte des Lehrstuhls – sein kann und oftmals ist. Weitere Hinweise zu den besprochenen Themen sowie Quellenverweise finden sich wie immer unten in den Links.

Der Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie wünscht auch auf diesem Weg allen erholsame Feiertage und einen guten Rutsch in ein hoffentlich besseres 2021. Bleibt gesund und passt auf Euch und andere auf!

Zusammenfassung der Folge als Long Read von Clara Aevermann

_________________________________________________

Links zur Folge

3 Gedanken zu „„The Podcast Before Christmas“ – Geographische Perspektiven auf Filme und Serien“

  1. War selten so gut unterhalten von einem Podcast. Ich wurde nicht nur zum Lachen gebracht, sondern hab auch einiges dazugelernt. Auch für nicht Serien-junkies sehr zu empfehlen! Fänd so eine Analyse auch mal spannend für Star Trek: Discovery zb.

  2. Diese Folge hat mir besonders gut gefallen und war eine willkommene Abwechslung. Da ich selbst ein großer Fan von „The Expanse“ bin und mir schon entsprechende Gedanken zu der Serie gemacht habe, war es äußerst spannend eine wirtschaftsgeographische Analyse des Stoffes durch einen Experten zu hören.
    Ich würde mich über weiteren solchen alternativen Content sehr freuen!

  3. Pingback: Geographies of… Hip Hop II – Die Blogs der Universität Jena

Die Kommentarfunktion ist deaktiviert.