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Geographies of… Hip Hop | Part 2

Hier geht’s zum ersten Teil der Serie

Nach der Jahresabschlussfolge 2020 von SpacEconomics war ausversehen die neue Serie „Geographies of…“ geboren, in der sich Björn Braunschweig auch im zweiten Part der – voraussichtlich – fünfteiligen Trilogie „Geographies of… Hip Hop“ mit seiner Leidenschaft für Hip Hop aus geographischer Sicht auseinandersetzt. Es geht darum,

  • was regionale Identität ausmacht und ausmachen kann,
  • wie man BoomBap und G-Funk-Sound meisterlich ohne Musikeinspielungen beschreiben kann,
  • wie eine Jahrhunderte lange Geschichte, Musik heute noch prägen kann,
  • wieso Nashville und Los Angeles sich näher sind als Nashville und New York.
  • inwiefern Fortbewegungsmittel auch kulturelle Eigenschaften haben und
  • was für langfristige Wirkungen Stadtplanungsparadigmen haben können.

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The Longer Read

Hip Hop und R’n’B machten 2018 allein in den USA 31 % des gesamten Musikmarktes aus – ein wirtschaftsgeographischer Blick auf Hip Hop lohnt sich also nicht nur aus persönlichen Interesse. Ein Ausgangspunkt dafür sind auffällige regionale Unterschiede im Hip Hop. Vergleicht man etwa den sogenannten BoomBap-Sound, der an der Ostküste der USA mit dem Hotspot New York in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren prägend war, mit dem zeitgleich an der Ostküste und insbesondere in Los Angeles entstandenen G-Funk, so zeigt sich die Diversität innerhalb des Genres: BoomBap ist rau und nicht umsonst bis heute im Underground-Hip Hop prägend (Soundbeispiele finden sich unterhalb des Long-Reads). Der Sound wird dominiert von eindringlichen Drums. Das tiefe und durchdringende Boom der Kickdrum und das peitschende Bap der Snaredrum gaben dem Stil seinen Namen. G-Funk hingegen ist melodischer als der BoomBap und strahlt eine harmonische Fülle aus, die untermalt ist von einem charakteristischen tiefen Funk-Bass. Kurz: Der BoomBap Sound ist kantig und rau, G-Funk ist smooth und melodisch. Neben Texten und behandelten Themen ist der jeweilige Sound auch Teil der unterschiedlichen regionalen Identitäten.

„Regionale Identität ist eine Wechselwirkung zwischen
Individuen, der sie umgebenden Gesellschaft und ihrem Raum, die darauf beruht,
dass sich die Menschen mit dem Charakter, der einer Region zugeschrieben ist bzw. den sie wahrnehmen,
verbunden fühlen und sich dann mit dieser Region identifizieren.“
Björn Braunschweig

Regionen sind geprägt von ihrer Geschichte; unterschiedliche regionale Identitäten lassen sich daher auch, zumindest in Teilen, durch einen Blick auf die jeweilige Historie erklären. Auf den Sound bezogen sind es besonders die stadtplanerischen Aspekte der Geschichte, die den heutigen Sound mitgeformt haben. Als Beispiele können New York und Los Angeles sowie die Rolle der industriellen Revolution dienen:

Die industrielle Revolution wurde vor allem durch zwei sogenannte Basisinnovationen vorangetrieben: Die Dampfkraft, die sich von ca. 1700 über die darauffolgenden Jahrzehnte stetig weiterentwickelte und schlussendlich in der der Eisenbahn als revolutionäres Verkehrsmittel gipfelte. New York hatte 1710 – also zu Beginn der industriellen Revolution – schon etwa 6.000 EinwohnerInnen. Los Angeles wurde sogar erst 1781 gegründet. Als Los Angeles hundert Jahre später dieselbe Marke von 6.000 EinwohnerInnen erreichte, lebten in New York bereits 1,5 Mio. Menschen (United States Census Bureau).


Jahr
(ausgewählt)

1710

1775 (NY)/1781 (LA)

1800

1870

1900

1920

New York City
Fläche (Land): 789,4 km2

5.700 EinwohnerInnen

25.000 EinwohnerInnen

87.685 EinwohnerInnen

1.469.045 EinwohnerInnen

3.437.202 EinwohnerInnen

5.620.048 EinwohnerInnen

Los Angeles
Fläche (Land): 1.214,9 km2

0 EinwohnerInnen

44 EinwohnerInnen

315 EinwohnerInnen

5.728 EinwohnerInnen

102.479 EinwohnerInnen

576.673 EinwohnerInnen

Die Siedlungsstruktur von Los Angeles war somit von Anfang dadurch geprägt, dass die Eisenbahn als zentrales Fortbewegungsmittel zur Verfügung stand. New York hingegen war bereits zur Zeit ihrer Erfindung eine dichte Großstadt, die jahrhundertlang auf Fußverkehr und Pferdekutschen ausgelegt war. Das heißt, die Siedlungsentwicklung in New York City war von Anfang dichter als die von Los Angeles. In der weiteren Entwicklung lösten Autos in Los Angeles den öffentlichen Nahverkehr im Laufe des 20. Jahrhunderts als wichtigstes Verkehrsmittel ab, während New York für die Entwicklung zu einer „Automobilstadt“ schon zu dicht war. Der ÖPNV wurde somit in den letzten 120 Jahren zu dem wohl berühmtesten U-Bahn-Netz der Welt ausgebaut. Doch was hat das nun mit dem Sound zu tun, der die beiden Regionen Ende des 20 Jahrhunderts im Hip Hop prägte?

Die Art und Weise, wie Musik gestaltet und produziert wird, hängt davon ab, wer sie hört und vor allem auch, wie und wo sie gehört wird. New Yorker Hip Hop wurde erst auf Partys – und dort natürlich mit großen Anlagen – aber dann auf Boomboxen und alsbald auf Kopfhörern eines Walkmans zu Fuß oder in der Metro gehört. In Los Angeles hingegen war und ist das Auto das wichtigste Fortbewegungsmittel. Autos und das Autofahren sind fester Bestandteil der regionalen Identität der Stadt. Die Hip Hop Kultur der Region bleibt davon nicht unberührt – Musik aus L.A. ist dafür gemacht, im Auto gehört zu werden, mit Sound-Systemen, die ausgereizt werden wollen. Der typische „New Yorker BoomBap-Sound“ war somit deutlich mitten- und höhenlastiger als in L.A. Kopfhörer konnten die tiefen Bässe, die den L.A.-Sound prägten, schlicht nicht wiedergeben. Im G-Funk fielen dafür auch die mittleren Frequenzen, in denen auch die menschliche Stimme sitzt, vielfach fast vollständig weg. In einem Cabrio wäre der Rap sonst einfach schwer zu verstehen.

„Die Siedlungsgeschichte, die Fortbewegungsmittel, die sich daraus ergeben
und damit de facto mehrere hundert Jahre Geschichte eines Ortes
laufen in dem Sound zusammen, der die jeweilige Region ausmacht.“ 
Björn Braunschweig

Unterschiedliche regionale Identitäten sind nicht nur die Konsequenz aus verschiedenen Geschichtsverläufen. Sie dienen auch zur Abgrenzung von anderen Identitäten. Damit beschäftigt sich z.B. das Projekt des Lehrstuhls „Weltoffen Miteinander Arbeiten in Thüringen“, das von Matthias Hannemann betreut wird, aber auch der East-Coast/West-Coast -Konflikt im Hip Hop der 90er Jahre. Und das, obwohl es sowohl an der Ost- als auch der Westküste um die jeweilige Lebensrealität und -umwelt ging, die durch die Musik dargestellt und verarbeitet wird. Doch trotz all der Gemeinsamkeiten der Lebensrealitäten unterschieden sich die regionalen Identitäten stark. Das Ergebnis ist Musik des selben Genres mit gleichen Zweck, aber einem völlig unterschiedlichen, nahezu konträren Sound und einer unterschiedliche Art der Verarbeitung der Lebensrealitäten. Und diese Unterschiede und Perspektivwechsel bilden den Ausgangspunkt der nächsten Folge von Geographies of Hip Hop.

„All das zeigt, dass nicht nur der Sound durch den jeweiligen Raum,
in dem er entsteht, die sozialen Umstände, Fortbewegungsmittel und Lebenswirklichkeiten
sowie viele andere Faktoren geprägt wird. Denn dasselbe gilt auch und ganz besonders für die Inhalte,
die verarbeitet werden bzw. verarbeitet werden müssen
– unser Ausgangspunkt für die nächste Folge!“
Björn Braunschweig

Zusammenfassung als Long-Read von Clara Aevermann

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Lehrstuhl-Media

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Literatur

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Sonstige Quellen

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Empfohlene Podcasts von BIPOC
(u.a. zu Sklaverei und Kolonialismus)

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Angesprochene HipHop-Serien/Dokumentationen

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Ein Gedanke zu „Geographies of… Hip Hop | Part 2“

  1. Pingback: Wer hat hier was mit wem? Netzwerke der deutschen Musikindustrie – Die Blogs der Universität Jena

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