In dieser Folge von SpacEconomics sprechen Anika Zorn, Dr. Susann Schäfer und Thảo Nguyen Yen Tran mit Björn Braunschweig über die Besonderheiten von dänischem Wein und ihre Exkursion nach Dänemark. Dabei geht es darum…
- wieso Migration und Innovation Hand in Hand gehen
- weshalb dänischer Wein einen besonderen Geschmack hat
- wie der Klimawandel traditionelle Berufe wie den Weinanbau verändert
- weshalb Exkursionen während der Pandemie nicht nur herausfordernd, sondern auch bereichernd sind und
- wieso Innovation und Tradition nicht immer Antagonisten sind.
Schreibt uns für Fragen, Kommentare und Anregungen gern an:
The Longer Read
In ihrer aktuellen Forschung beschäftigt sich Anika Zorn am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie der Universität Jena mit Dänemark als neu entstehende Weinanbauregion. Ein Grundgedanke hinter ihrer Arbeit ist, dass sich der Klimawandel die Geographie der Weinanbauregionen verschiebt: Während etablierte Weinanbaugebiete zunehmend unter Hitzestress leiden, wird der Weinanbau in anderen Regionen wie Dänemark überhaupt erst möglich. So bauen dänische WinzerInnen – auch dank neuer Rebsorten – erst seit dem Jahr 2000 professionell Wein an. Anika Zorns Forschungsinteresse gilt besonders der Frage: Wie kann diese wissensintensive Form der Landwirtschaft sich in einer Region komplett neu etablieren?
„Für den Aufbau einer Branche braucht es branchenspezifisches Wissen und das muss irgendwo herkommen. Daher ist Migration für die Innovationsforschung so ein wichtiges Thema“
Björn Braunschweig
Und das Schöne am Geographiestudium? Die Verbindung von Forschung und Lehre mithilfe von Exkursionen. Entsprechend reisten Anika Zorn und Susann Schäfer im September mit MasterstudentInnen nach Dänemark. Die Exkursion in die Weinanbaugebiete Dänemarks ermöglichte den StudentInnen, gemeinsam mit Anika Zorn und Susann Schäfer Einblicke in die qualitative Forschung zu erlangen und dabei nicht nur ihr wirtschaftsgeographisches Handwerkszeug zu erproben, sondern auch den Weinanbau als traditionellen Beruf in innovativer Ausübung kennenzulernen:
Das Besondere an Dänemark als Weinregion ist, dass es neben einigen HobbywinzerInnen nur etwa 100 kommerzielle Weingüter gibt. Dänische WinzerInnen haben vor ihrer Tätigkeit im Weinanbau oft andere Berufe ausgeübt und sich so den Einstieg in die Branche finanziert. Im Gegensatz dazu sind Weingüter in etablierten Weinregionen in der Regel generationenschwere Familienbetriebe, in denen traditionelle Rebsorten angebaut und verarbeitet werden.
„Mechanismen von transnationalem Wissenstransfer über Migration sind keine Ausnahme,
sondern der Normalfall und ein Grundstein unserer Gesellschaft“
Dr. Susann Schäfer
In traditionellen Familienunternehmen kann über Generationen erarbeitetes Wissen direkt weitergegeben werden. Eine Branche gänzlich neu in einer Region anzusiedeln bedeutet auch, dass das Wissen in der Region erst einmal aufgebaut werden muss. Für den Weinbau in Dänemark ist dieses externe Wissen entsprechend von zentraler Bedeutung. Viele WinzerInnen sind in etablierte Weinanbaugebiete gereist, um in diesen Regionen Wissen zu sammeln. Über BeraterInnen, die temporär nach Dänemark kommen, kann relevantes Wissen aber auch importiert werden und einige MigrantiInnen bleiben dann auch in Dänemark und arbeiten langfristig in den neuen Betrieben.
Verschiedene Forschungsprojekte des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeographie beschäftigen sich mit der Rolle von Migration für Innovationen und regionale Entwicklung. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass Migration ein natürliches Element der heutigen Gesellschaft ist und keine Ausnahme darstellt, wie dies in öffentlichen Diskussionen manchmal scheint. MigrantInnen sind dabei TrägerInnen von Wissen und Kompetenzen – und beides kann in den Zielregionen genutzt werden.
„In Dänemark ist der Weinanbau nur durch neue Rebsorten wie etwa die Solaris möglich,
die den nordischen Anbaubedingungen standhalten können.
Diese Bedingungen kann man dann auch schmecken: dänische Weine sind tendenziell
weniger süß als ihre Pendants aus südlicheren Anbaugebieten“
Anika Zorn
Der Weinanbau in Dänemark ist nicht nur an sich schon eine Innovation, sondern er ist seinerseits abhängig von Innovationen innerhalb der Branche. So ist bereits die Wahl geeigneter Rebsorten eine Herausforderung: Die Pflanzen sind nicht nur speziellen klimatischen Bedingungen ausgesetzt, sie müssen zudem auch pilzresistent sein, da in Dänemark kaum Pflanzenschutzmittel verwendet werden dürfen. Traditionelle Rebsorten kommen daher kaum in Frage und dänische WinzerInnen erproben neue Sorten, die in etablierten Weinanbauregionen bisher kaum genutzt werden.
„Gerade durch die kleine Gruppengröße waren wir Studierenden von Anfang an in die Forschung eingebunden.
Es gab viel Interaktion und gemeinsame Reflexion. Dadurch konnten wir viel lernen.“
Thảo Nguyen Yen Tran
All dies konnten die Exkursionsteilnehmer:innen gemeinsam mit Anika Zorn und Susann Schäfer im Rahmen der Exkursion genauer er- und hinterfragen. Leitfadengestützte Interviews und teilnehmende Beobachtungen bildeten den methodischen Fokus der Exkursion.
Die Teilnehmende Beobachtung ist ursprünglich eine Methode der Ethnologie. Über das Dabeisein soll hierbei herausgefunden werden, wie bestimmte soziale Gruppen funktionieren. In der Humangeographie wird diese Methode genutzt, um Milieus oder andere Gruppen zu verstehen, indem man am Alltagsleben der jeweiligen Gruppe teilnimmt und die Beobachtungen dokumentiert. Über die Summe der Beobachtungen kommt man schließlich zu Erkenntnissen.
Während der Exkursion begleitete die Exkursionsgruppe mehrere WinzerInnen und konnte den Weinanbau so am eigenen Leib erleben. Im Rahmen dieser Besuche führten die Studierenden Interviews auch selbst durch und sammelten so eigene Forschungserfahrungen. Die Interviews wurden meist von zwei Personen geleitet, während der Rest der kleinen Exkursionsgruppe ebenfalls anwesend war und auch Fragen einwerfen konnte. Dadurch waren alle eingebunden und konnten sich gegenseitig unterstützen. Auch für die InterviewpartnerInnen war es bereichernd, ihre Erfahrungen Gedanken teilen zu können und ihre Begeisterung für ihren Beruf weiterzugeben.
„Mich fasziniert, dass es Personen gibt, die ökonomisch in einer Nische mit dieser
unglaublichen Leidenschaft tätig sind. Sie sind PionierInnen in der Branche und das ist
alles andere als einfach. Davor habe ich großen Respekt.“
Dr. Susann Schäfer
Zusammenfassung als Long-Read von Clara Aevermann
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